Über dieses Buch »An einem Nachmittag, als mein Vater
nicht da war und meine Mutter schlief, packte ich einige Kleider
und zwei Paar Schuhe
in einen Koffer, nahm ein Stück Seife und einen Kamm mit, fuhr
mit den achtzig Mark nach Hamburg und stieg dann in den Berliner
Zug.«
So einfach also hat es bei »der Flickenschildt« begonnen,
wird sich da mancher denken. Aber so einfach war es nun eben auch
wieder nicht für die rothaarige Kapitänstochter, die eines
Tages aus dem gutbürgerlichen Elternhaus ausbrach, um Schauspielerin
zu werden, zum Theater zu gehen, das niemand in ihrer Familie so
recht kannte. Allerdings: Sie macht wenig Aufhebens von den Startschwierigkeiten,
von den Enttäuschungen und Entmutigungen, die auch sie erleben
mußte. Und sie gerät ebensowenig ins nichtssagende Schwärmen
und Prahlen, wenn sie auf die Höhepunkte ihrer Theaterlaufbahn
zu sprechen kommt: auf die Engagements bei Falckenberg, Hilpert,
Fehling und Gründgens, auf die großen Charakterrollen
der Weltliteratur, die sie einmal verkörpert hat - von der
Jokaste des Sophokles bis zur Mutter Courage von Brecht, von der
gespenstischen Lady Macbeth bis zur makabren »alten Dame«
von Dürrenmatt.
Das Theater hat ihr Leben bestimmt, ist ihr Leben; doch dazu gehören
ebenso - fern von den Brettern, die ihre Welt bedeuten - die stille
Landschaft des bayerischen Voralpenlandes, ihre Zuflucht auf dem
Bauernhof, ihre geliebten Tiere. Wie jede große Schauspielerin
beherrscht Elisabeth Flickenschildt die Kunst der verhaltenen Gebärde,
der leisen Zwischentöne, und so ist auch ihr Buch: verhalten
und voller Zwischentöne.
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