Texte von Albert Schweitzer

zum Thema:

Sich verantwortlich fühlen für alles Lebendige
 

Albert Schweitzer war Theologe und arbeitete viele Jahre als Arzt in den Tropen.
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Leben erhalten ist das einzige Glück.
Predigt, 23. 2. 1919 (StP, 135)

Wahrhaft ethisch ist der Mensch nur, wenn er der Nötigung gehorcht, allem Leben, dem er beistehen kann, zu helfen, und sich scheut, irgend etwas lebendigem Schaden zu tun. Er fragt nicht, inwiefern dieses oder jenes Leben als wertvoll Anteilnahme verdient, und auch nicht, ob und inwieweit es noch empfindungsfähig ist. Das Leben als solches ist ihm heilig. Er reißt kein Blatt vom Baume ab, bricht keine Blume und hat acht, daß er kein Insekt zertritt. Wenn er im Sommer nachts bei der Lampe arbeitet, hält er lieber das Fenster geschlossen und atmet dumpfe Luft, als daß er Insekt um Insekt mit versengten Flügeln auf seinen Tisch fallen sieht.
KE, 331

Der große Fehler aller bisherigen Ethik ist, daß sie nur mit dem Verhalten des Menschen zum Menschen zu tun zu haben glaubte. In Wirklichkeit aber handelt es sich darum, wie er sich zur Welt und allem Leben, das in seinen Bereich tritt, verhält. Ethisch ist er nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, heilig ist und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. Nur die universelle Ethik des Erlebens der ins Grenzenlose erweiterten Verantwortung gegen alles, was lebt, läßt sich im Denken begründen. Die Ethik des Verhaltens von Mensch zu Mensch ist nicht etwas für sich, sondern nur ein Besonderes, das sich aus jenem Allgemeinen ergibt.
LD, 120

Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, daß die Türe zu ist, damit ja der Hund nicht hereinkomme und das getane Werk durch Spuren seiner Pfoten entstelle, also wachen die europäischen Denker darüber, daß ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen.
KE, 317
 

Die Vernunft entdeckt das Mittelstück zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu den Menschen - die Liebe zur Kreatur, die Ehrfurcht vor allem Sein, das Miterleben allen Lebens, mag es dem unseren äußerlich noch so unähnlich sein.
Predigt, 16. 2. 1919 (StP, 124)

Einst galt es als Torheit, anzunehmen, daß die farbigen Menschen wahrhaft Menschen seien und menschlich behandelt werden müßten. Die Torheit ist zur Wahrheit geworden. Heute gilt es als übertrieben, die stete Rücksichtnahme auf alles Lebendige bis zu seinen niedersten Erscheinungen herab als Forderung einer vernunftmäßigen Ethik auszugeben. Es kommt aber die Zeit, wo man staunen wird, daß die Menschheit so lange brauchte, um gedankenlose Schädigung von Leben als mit Ethik unvereinbar einzusehen.
KE, 332

Besonders befremdlich findet man an der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben, daß sie den Unterschied zwischen höherem und niederem, wertvollerem und weniger wertvollem Leben nicht geltend mache. Sie hat ihre Gründe, dies zu unterlassen.
Das Unternehmen, allgemeingültige Wertunterschiede zwischen den Lebewesen zu statuieren, läuft darauf hinaus, sie danach zu beurteilen, ob sie uns Menschen nach unserem Empfinden näher oder ferner zu stehen scheinen, was ein ganz subjektiver Maßstab ist. Wer von uns weiß, was das andere Lebewesen an sich und in dem Weltganzen für eine Bedeutung hat?
Im Gefolge dieser Unterscheidung kommt dann die Ansicht auf, daß es wertloses Leben gäbe, dessen Schädigung und Vernichtung nichts auf sich habe. Unter wertlosem Leben werden dann, je nach den Umständen, Arten von Insekten oder primitive Völker verstanden.
LD, 172f

Es ist der wissende Mensch ein Erlöser der Kreatur; so weit seine Macht und Kraft reicht, kann er die Qual von der Kreatur nehmen. Wie furchtbar, wenn der Mensch, statt zu erlösen, schuldig wird und quält!
Predigt, (13. 12. 1908)
 

Die Ethik, die sich nicht auch mit unserem Verhalten zur Kreatur beschäftigt, ist unvollständig.
PdE, 84

Du gehst auf einem Waldpfad; die Sonne scheint in hellen Flecken durch die Wipfel hindurch; die Vögel singen; tausend Insekten summen froh in der Luft. Aber dein Weg, ohne daß du etwas dafür kannst, ist Tod. Da quält sich eine Ameise, die du zertreten, dort ein Käferchen, das du zerquetscht, dort windet sich ein Wurm, über den dein Fuß gegangen. In das herrliche Lied vom Leben klingt die Melodie von dem Weh und Tod, die von dir, dem unschuldig Schuldigen kommen, hinein. Und so fühlst du in allem, was du Gutes tun willst, die furchtbare Ohnmacht, zu helfen wie du wolltest.
Predigt, 23. 2. 1919 (StP, 133)

Gar vielen Menschen ist es gar nicht mehr bewußt, daß sie mithaften für das, was die Kreatur bei uns erduldet. Sie denken auch, daß wir es eigentlich recht weit gebracht haben. Wir haben Tierschutzvereine, wir haben Polizei; die werden schon die nötige Vorsorge treffen. Wer aber die Augen aufmacht, der erwacht aus dieser Sicherheit und sieht, was alles geschieht, weil keine Menschen da sind, die über die Kreatur wachen.
Predigt, 13. 12. 1908

Gerade dadurch, daß das Tier als Versuchstier in seinem Schmerz so Wertvolles für den leidenden Menschen erworben hat, ist ein neues, einzigartiges Solidaritätsverhältnis zwischen ihm und uns geschaffen worden. Ein Zwang, aller Kreatur alles irgend mögliche Gute anzutun, ergibt sich daraus für jeden von uns. Indem ich einem Insekt aus seiner Not helfe, tue ich nichts anderes, als daß ich versuche, etwas von der immer neuen Schuld der Menschen an der Kreatur abzutragen.
KE, 341

Diejenigen, die an Tieren Operationen oder Medikamente versuchen oder ihnen Krankheiten einimpfen, um mit den gewonnenen Resultaten Menschen Hilfe bringen zu können, dürfen sich nie allein damit beruhigen, daß ihr grausames Tun einen wertvollen Zweck verfolge. In jedem einzelnen Falle müssen sie erwogen haben, ob wirklich Notwendigkeit vorliegt, einem Tier dieses Opfer für die Menschheit aufzuerlegen. Und ängstlich müssen sie darum besorgt sein, das Weh, soviel sie nur können, zu mindern.
KE, 340f

Daß wir gezwungen sind, vielfältig Leben zu vernichten, sei es für unsere Erhaltung, sei es, um Tiere, die geboren werden und die wir nicht erhalten können, abzuschaffen, sei es, um uns vor schädlichen Tieren zu schützen: das ist das furchtbare Gesetz der Entzweiung des Willens zum Leben, dem wir unterworfen sind. Nie dürfen wir uns gedankenlos darein ergeben. Immer ist es uns gleich furchtbar, gleich unheimlich. Aber das eine müssen und können wir tun: die Verantwortung in jedem einzelnen Fall erwägen, die Notwendigkeit prüfen und dann auf die schonendste Art vorgehen.
Predigt, 2. 3. 1919 (Wswt, 54)

Dem wahrhaft ethischen Menschen ist alles Leben heilig, auch das, das uns vom Menschenstandpunkt aus als tiefer stehend vorkommt. Unterschiede macht er nur von Fall zu Fall und unter dem Zwange der Notwendigkeit, wenn er nämlich in die Lage kommt, entscheiden zu müssen, welches Leben er zur Erhaltung des anderen zu opfern hat. Bei diesem Entscheiden von Fall zu Fall ist er sich bewußt, subjektiv und willkürlich zu verfahren und die Verantwortung für das geopferte Leben zu tragen zu haben.
Ich freue mich über die neuen Schlafkrankheitsmittel, die mir erlauben, Leben zu erhalten, wo ich früher qualvollem Siechtum zusehen mußte. Jedesmal aber, wenn ich unter dem Mikroskop die Erreger der Schlafkrankheit vor mir habe, kann ich doch nicht anders, als mir Gedanken darüber zu machen, daß ich dieses Leben vernichten muß, um anderes zu erretten.
LD, 173

Wir müssen jedes Vernichten immer als etwas Furchtbares empfinden und uns in jedem einzelnen Falle fragen, ob wir die Verantwortung dazu tragen können, ob es nötig ist oder nicht.
Predigt, 2. 3. 1919 (Wswt, 49)

Daß wir dem Gesetz, leben zu müssen, indem wir das niedere Leben dem höheren opfern, in tausendfacher Weise unterworfen sind, ist furchtbar. Nur etwas gibt es, das es uns auf Zeit vergessen läßt und wie in eine andere Welt verstzt: das Leben-Erhalten und das Helfen-Können. Halte deine Augen offen, damit du die Gelegenheit nicht versäumst, wo du Erlöser sein darfst! Geh nicht achtlos an dem armen Insekt, das ins Wasser gefallen ist, vorüber, sondern ahne, was es heißt: mit dem Wassertod ringen. Hilf ihm mit einem Haken oder einem Hölzchen heraus, und wenn es sich dann die Flügel putzt, so wisse, es ist dir etwas wunderbares widerfahren: das Glück, Leben gerettet zu haben - , im Auftrage und in der Machtvollkommenheit Gottes gehandelt zu haben. Der Wurm auf der harten Straße, auf die er sich verirrt hat, verschmachtet, weil er sich nicht einbohren kann. Lege ihn aufs weiche Erdreich oder ins Gras! "Was ihr getan habt einem dieser Geringsten, das habt ihr mir getan" - dieses Wort Jesu gilt nun für uns alle, was wir auch der geringsten Kreatur tun.
Predigt, 2. 3. 1919 (Wswt, 55)

Reiß keine Blume, kein Blatt ab! Siehst du ein Pflänzchen, auch das gewöhnlichste, vor dir auf deinem Pfade, tritt so, daß du es nicht zertrittst, wenn du es vermeiden kannst! Gehst du mit Kindern in der Natur, laß sie nicht gedankenlos Blumen brechen schon in der ersten Stunde, die dann in den heißen Händchen welken und die sie dann, weil sie ihnen unbequem werden, achtlos wegwerfen, sondern wage, sie von den ersten Jahren an zur Ehrfurcht vor dem Leben zu erziehen! Mache dich meinetwegen vor gedankenlosen Menschen lächerlich, die über solche Marotten spotten. Aber die Kinder werden von dem Schauer des Geheimnisses ergriffen werden und dir einmal danken, daß du die große Melodie der Ehrfurcht vor dem Leben in ihnen geweckt hast. Die Spottenden selbst aber werden von der elementaren Wahrheit in dem, was sie ungewohnt berührt, mehr bewegt, als sie zugestehen werden.
Predigt, 2. 3. 1919 (Wswt, 48)

Besondere Arbeit nehmen wir aus Mitleid mit den Palmbäumen auf uns. Der Platz, auf den unser Wohnhaus kommen soll, ist mit Ölpalmen bestanden. Das einfachste wäre, sie abzuhauen. Eine Ölpalme hat hier keinen Wert. Es gibt ihrer so viele. Wir bringen es aber nicht übers Herz, sie der Axt zu überantworten, gerade jetzt, wo sie, vom Schlinggewächs befreit, ein neues Dasein beginnen. Also verwenden wir unsere Mußestunden darauf, diejenigen, die noch versetzbar sind, vorsichtig auszugraben und anderswohin zu verpflanzen, was eine große Arbeit ist.
BrL, 672
 

Für den sittlichen Menschen gibt es kein gutes Gewissen, sondern immer nur Kampf mit sich selber, Zweifel und Frage, ob er gewesen ist, wie er nach den Forderungen der verinnerlichten Menschlichkeit sein soll.
Predigt, 3. 5. 1919 (Wswt, 83)
 

Das gute Gewissen ist eine Erfindung des Teufels.
KE, 340
 

So sehr mich das Problem des Elends in der Welt beschäftigte, so verlor ich mich doch nie in Grübeln darüber, sondern hielt mich an den Gedanken, daß es jedem von uns verliehen sei, etwas von diesem Elend zum Aufhören zu bringen.
LD, 179
 

In den alten Büchern der Sittenlehre ist so schön geschieden zwischen Pflichten gegen sich selbst und Pflichten gegen den Nächsten. In Wirklichkeit aber lassen sie sich nicht so säuberlich auseinanderhalten, wie wir es möchten. In dem Bestreben, an sich legitime Selbsterhaltung zu üben, komme ich dazu, in das Dasein anderer schädigend einzugreifen. Die Selbstentzweiung des Willens zum Leben, wie sie in dem menschlichen Kampf ums Dasein in die Erscheinung tritt, bringt dies mit sich. Mein Fortkommen und das dieses oder jenes andern Menschen sind nicht immer in Harmonie zu bringen ...
Ein Mensch bringt eine Verbesserung an einer Maschine an, die die Produktion eines bestimmten Artikels um einige Prozente verbilligt. Sein Patent trägt ihm viel ein, und er wird als großer Erfinder gepriesen. Aber sein Glück ist mit dem Unglück so vieler anderer erkauft, die nicht das Kapital besitzen ihre Betriebe mit den verbesserten Maschinen auszustatten, und die nun notwendig zugrunde gehen.
Ich bewerbe mich um eine Stelle und habe Aussicht anzukommen. Ein anderer, der es viel schwerer hat als ich und gerade auf diese Stelle seine letzte Hoffnung gesetzt hatte, muß zurücktreten, weil man mich als den geeigneteren ansieht. Darf ich dies geschehen lassen? Kann ich die Verantwortung tragen, daß er durch mich, weil ich ihm gerade im Wege stehe, geschädigt wird?
Predigt, 30. 3. / 3. 5. 1919 (Wswt, 76f)
 

Du mußt in jedem einzelnen Fall aus Überzeugung, nach deinem Gewissen handeln und wirst vielleicht das eine Mal so, ein anderes Mal anders tun.
Predigt, 2. 3. 1919 (Wswt, 53)
 

Eben habe ich ein Moskito getötet, der mich umflog beim Lampenlicht. In Europa würde ich ihn nicht töten, obgleich er mir lästig ist. Aber hier, wo er die gefährlichste Form der Malaria verbreitet, nehme ich mir das Recht, ihn zu töten, obwohl ich es nicht gerne tue. Das Wichtige ist, daß wir alle recht nachdenklich werden über die Frage, wann Schädigen und Töten statthaben darf.
Die meisten Menschen kennen diese Frage ja noch nicht recht. Sie stehen noch auf dem Standpunkt, der gedankenloses Schädigen und Töten gutheißt und Freude am Sport des Tötens (Jagd, Fischen, ohne es berufsmäßig zu müssen) gutheißt. In mein Spital kamen Leute, die unterwegs auf dem Fluß, aus Sport nach allem Getier, das sie sahen, schossen: Nach dem Pelikan (der zur Zeit seine drei Jungen ernähren muß), nach dem Kaiman, der auf einem ins Wasser hinausragenden Ast schläft, auf den Affen, der auf ein Boot schaut.
Diese suche ich alle zum Nachdenken zu bringen. Wie viel wird schon erreicht sein, wenn die Menschen anfangen, nachdenklich zu werden und zur weisen Einsicht kommen, daß sie nur, wo die Not es gebietet, schädigen und töten dürfen.
An J. Eisendraht (1951): Br, 207
 

Man hat mir vier junge arme Pelikane gebracht, denen gefühllose Menschen die Flügel übel beschnitten haben, so daß sie nicht fliegen können. Nun wird es 2 - 3 Monate dauern, bis ihnen die Flügel nachgewachsen sind und sie in der Freiheit existieren können. Ich habe einen Fischer angestellt, der die nötigen Fische zu ihrer Ernährung fängt. Jedesmal tun mir die armen Fische in der Seele weh. Aber ich habe nur die Wahl, entweder die vier Pelikane zu töten, die dem Hungertode ausgeliefert wären, oder die Fische. Ob ich recht tue, mich für dies statt für das andere zu entscheiden, weiß ich nicht.
An J. Eisendraht (1951): Br, 207
 

Vor einer besonderen Versuchung zur Mißachtung der Ehrfurcht vor dem Leben müssen wir uns alle hüten: wir werden leicht mitleidlos dem unsympathischen Geschöpf gegenüber oder dem, das wir als böse kennen ... Um Ratten, Mäuse und anderes Getier zu vertilgen, scheint uns jedes Mittel recht, auch das, von dem wir wissen, daß es furchtbar lange Qual und Todesangst mit sich bringt. Davon müssen wir uns frei machen. Auch dem unsympathischen und schädlichen Tier gegenüber müssen wir uns immer der Verantwortung in jedem einzelnen Fall bewußt bleiben, daß wir es, nur wenn eine Notwendigkeit vorliegt, töten dürfen und dann sinnen müssen, dies mit dem am wenigsten qualvollen Mitteln zu tun. Auch aus Angst und Widerwillen dürfen wir nicht grausam werden.
Predigt, 2. 3. 1919 (Wswt, 52)
 

Wie die Welle nicht für sich sein kann, sondern stetig an den Wogen des Ozeans teilhat, also soll ich mein Leben nie für sich leben, sondern immer in dem Erleben, das um mich her stattfindet ... Was du an Gesundheit, an Gaben, an Leistungsfähigkeit, an Erfolg, an schöner Kindheit, an harmonischen häuslichen Verhältnissen mehr empfangen hast als andere, darfst du nicht als selbstverständlich hinnehmen. Du mußt einen Preis dafür entrichten. Außergewöhnliche Hingabe von Leben an Leben mußt du leisten.
KE, 344
 

Die, die an sich erfuhren, was Angst und körperliches Weh sind, gehören in der ganzen Welt zusammen. Ein geheimnisvolles Band verbindet sie. Miteinander kennen sie das Grausige, dem der Mensch unterworfen sein kann, und miteinander die Sehnsucht, vom Schmerze frei zu werden. Wer vom Schmerz erlöst wurde, darf nicht meinen, er sei nun wieder frei und könne unbefangen ins Leben zurücktreten, wie er vorher darin stand. Wissend geworden über Schmerz und Angst, muß er mithelfen, dem Schmerz und der Angst zu begegnen, soweit Menschenmacht etwas über sie vermag, und andern Erlösung zu bringen, wie ihm Erlösung ward.
Wer durch ärztliche Hilfe aus schwerer Krankheit gerettet wurde, muß mithelfen, daß die, die sonst keinen Arzt hätten, einen Helfer bekommen, wie er einen hatte.
Wer durch eine Operation vom Tode oder der Qual bewahrt wurde, muß mithelfen, daß da, wo jetzt Tod und Qual noch ungehemmt herrschen, der barmherzige Betäubungsstoff und das helfende Messer ihr Werk beginnen können ...
Wo das Todesleiden eines Menschen hätte furchtbar werden können, durch die Kunst eines Arztes aber sanft werden durfte, müssen die, die sein Lager umstanden, mithelfen, daß andern derselbe letzte Trost für ihre Lieben zuteil werden könne.
Dies ist die Brüderschaft der vom Schmerz Gezeichneten.
WU, 166f
 



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"Worte über das Leben", erschienen im Herder Verlag, ISBN 3-451-27035-8

Albert Schweitzer


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